Stadt zeigt ihr Gesicht
Marketinggesellschaft stellt das Logo vor, mit dem Wittenberg in den nächsten Jahrzehnten für sich werben will. In der Hauptrolle: Luther, wer sonst.
VON IRINA STEINMANN
WITTENBERG/MZ- 18 verschiedene Logos schwirrten bisher in der Gegend herum, wenn sich die Lutherstadt Wittenberg darstellte. Wie sollte da ein Gesamterscheinungsbild zu erkennen sein? Wie eine Anziehungskraft zu erreichen? Wie kann eine Stadt so zu einer »Marke« werden, vergleichbar, ja, warum nicht, dem Signet von Coca Cola, das man noch im hinterletzten Weltwinkel zuordnen kann?
Mit 18 verschiedenen Logos geht das schon mal gar nicht. Um sich für die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte zu wappnen, klar denen des Reformationsjubiläums 2017 aber eben auch weit darüber hinaus, hat sich die Lutherstadt jetzt ein neues, einheitliches Logo verpasst. Es zeigt, selbstverständlich, Luther. Entwickelt haben es die Lutherstadt Wittenberg Marketing GmbH und die Berliner Agentur »kleiner und bold GmbH«. Vorgestellt wurde es am Mittwochabend beim »Stadtgespräch« im Alten Rathaus.
Bis auf den Kern
Luther hat kein Gesicht. Das fällt als erstes auf und das irritiert einige (wenige) im sehr gut gefüllten Saal. Aber es soll ja auch kein historisches Porträt sein, erläutert Tammo F. Bruns von »kleiner und
bold«, es geht um die »Verdichtung von Eigenschaften«, immer weniger, immer konkreter, bis am Ende der »Markenkern« auf dem Tisch liegt und damit die »emotionale Tür« offensteht, durch die sie
alle (nach Wittenberg) gehen können, die Bürger, ob gläubig oder vor allem auch nicht, die ansiedlungswilligen Unternehmen, die touristischen Besucher. Stellen Sie sich vor, greift Bruns zu einem Bild, um den Prozess zu verdeutlichen: Sie sind im Fahrstuhl und haben exakt zwei Etagen Zeit, Wittenberg zu beschreiben und für es zu werben — so müsse eine »Marke« funktionieren.
Die Marke, das »Corporate Design« ist dabei mehr als bloß das Logo und verfolgt das Ziel, Wittenberg ein »einzigartiges, unverwechselbares Profil« zu geben, wie es Franka List formuliert, die von Seiten der Lutherstadt Wittenberg Marketing GmbH mit der Erarbeitung befasst war und ist. »Wir haben jetzt die Chance, das aufzubauen«, so Managerin List.
Noch im September soll List zufolge mit der Umsetzung des neuen Erscheinungsbildes begonnen werden. Die Inhalte: Wittenberg als Stadt der Weltgeschichte mit den entsprechenden Originalschauplätzen der Reformation, aber auch als Stadt der Kultur und der Bildung, der Offenheit und Transparenz in der Verwaltung sowie als vernetzter Standort zwischen den Metropolen Berlin und Leipzig/Halle. Die Formen: selbstredend sämtliche Briefköpfe und Veröffentlichungen der Stadt und ihrer eigenen Unternehmen; das Logo mit dem Lutherkopf und dem aus zwei Schriftarten, einer älteren und einer moderneren, bestehenden Zusatz »Lutherstadt Wittenberg« soll zudem etwa auch zu Werbezwecken an leerstehenden Schaufenstern und natürlich in der Plakatwerbung für die Veranstaltungen in der Stadt zum Einsatz kommen.
Dabei sind laut Marketing-Geschäftsführer Johannes Winkelmann auch je farbige oder Teil-Varianten des in der Basis-Version schwarz-weißen Logos möglich und vorgesehen, etwa mit rotem Schriftzusatz für die Marketing-GmbH selbst oder blau für Stadthaus und Exerzierhalle. Geplant sind nach Auskunft von List zudem eine App sowie Souvenirs mit dem neuen Logo. Unter www.marketing-wittenberg.de seien die Wittenberger aufgerufen, weitere Anwendungsvorschläge zu unterbreiten. Nicht vorgesehen ist allerdings, dass nun jedermann nach Belieben das neue Logo nutzt: Es handele sich um das offizielle Auftreten der Lutherstadt, sagte List auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum, auf Anfrage sei eine Nutzung von Fall zu Fall freilich möglich und auch erwünscht.
Und die Realität?
Schwierigkeiten mit Luther als Identifikationsfigur und Sympathieträger äußerte niemand im »Stadtgespräch«, das, wie der Name der Veranstaltungsreihe impliziert, auch ein Forum des Dialogs sein möchte. Zweifel wurden aber an der Messbarkeit des Erfolges durch das neue Logo geäußert und vor allem daran, ob der darin zum Ausdruck kommende Anspruch auch der Realität entspreche. Er fände es ja »toll, dass Luther nicht verleugnet« werde, vermisse aber einen Slogan, den »spirit«, den Geist Wittenbergs, sagte etwa Stadtkirchen-Pfarrer Johannes Block, ein Gegenstück zum Berliner »arm, aber sexy« (was, nebenbei, nicht der offizielle Werbespruch der Bundeshauptstadt ist).
Noch einen Schritt weiter ging der Zuhörer Wolfgang Böhmer. »Das Lostreten von Geist«, so der Ministerpräsident a. D., sei »gar nicht so einfach«: Vieles, was es in Wittenberg gebe, sei den Einheimischen gar nicht bekannt, behauptete er und nannte als ein Beispiel die sieben (!) in der Stadt vertretenen Stiftungen, aber auch Veranstaltungen. Auf der anderen Seite höre er aus Wittenberg »viele Klagen«. Marketingchef Winkelmann gab Böhmer in gewisser Weise recht (»Die Außenwirkung der Stadt kann nur so gut sein, wie sie nach innen Fundament hat«) und kündigte an, verstärkt auf die Bürger zuzugehen. Immerhin: Die neuen Buttons, die in einem Glas am Eingang auslagen, wurden schon mal gern mitgenommen.
MARKETINGGESELLSCHAFT
Drei Säulen
Die Lutherstadt WittenbergMarketing GmbH gehört zu 80 Prozent der Stadt und zu 20 Prozent den Stadtwerken. Ihre drei Aufgabenbereiche sind Veranstaltungen, Tourismus und Stadtmarketing. Der Veranstaltungsbereich wird gemeinsam mit dem 1997 gegründeten Verein »WittenbergKultur« bearbeitet, der auch unter dem Dach der GmbH weiter als solcher besteht. Der Tourismusbereich ist per Geschäftsbesorgungsvertrag an das kommerzielle Unternehmen GLC Glücksburg übertragen, das
etwa die Touristeninformation betreibt. Zum Stadtmarketing gehören auch Aktivitäten gegen Leerstand, die Koordination von 2017 oder die »Baustellenkommunikation«, also der touristische Umgang mit den sanierungsbedingt geschlossenen Kirchen. 17 »Roadshow«-Termine, die auf die Jubiläen 2017 und 2015 (Cranach-Jahr) hinweisen, wurden laut Winkelmann bisher bundesweit
absolviert, zuletzt bei der Hanse-Sail in Rostock und in Halle.
Das maßgeblich von der Marketinggesellschaft mitorganisierte Reformationsfest bedeutet 2014 ein verlängertes Wochenende, weshalb es sowohl am 31. Oktober als auch am 1. November ein historisches Markttreiben vor dem Alten Rathaus geben wird. Bereits zuvor gibt es eine wichtige Veranstaltung, die die GmbH organisiert: die Eröffnung der Exerzierhalle am 29. September.